Nach dem Grand Slam am Donnerstag letzte Woche wurde ich gefragt, warum mir Max Keplers „Homerun-Rekord“ keine Meldung wert gewesen ist. Nun, ehrlich gesagt halte ich diesen Rekord für ziemlich konstuiert und aufgebauscht. Kepler hat bislang 35 Homeruns geschlagen. Das ist eine absolut beachtliche Leistung, die achtbeste in der gesamten MLB dieses Jahr. Nebenbei sind es die meisten Homeruns, die ein in Europa geborener MLB-Profi je in einer Saison erzielt hat. Doch europäische MLB-Spieler gibt und gab es in den letzten Jahrzehnten nicht viele. Und in den Zeiten, als es noch mehr direkte Einwanderung aus Europa gab, wurden generell nicht so viele Homeruns geschlagen wie heute, denn die Ballparks waren größer und die Bälle träger.
Die 32 Homeruns des Schotten Bobby Thomson im Jahr 1951 – der bisherige Single-Season-Höchstwert eines europäischen Spielers – wurden meines Wissens von kaum jemandem als nennenswerter Rekord angesehen. Im kollektiven Gedächtnis haften geblieben ist lediglich der letzte dieser Homeruns, weil er von ganz besonderer Bedeutung für die damalige Saison der New York Giants war: Es war der als „Shot heard round the world“ bekannte Grand Slam, mit dem die Giants gegen die Brooklyn Dodgers nach 0:3-Rückstand mit 4:3 das Spiel um den National-League-Titel gewannen. Aber das nur am Rande.
Max Keplers „Rekord“ hat mich also nicht überzeugt. Das soll aber keinesfalls ein Grund sein, nicht die großartige Saison zu würdigen, die er gerade spielt. In den vergangenen drei Jahren hatte Kepler es bereits geschafft, sich bei den Minnesota Twins zum unumstrittenen Stammspieler aufzuschwingen. Er überzeugte mit unterdurchschnittlichen Strikeout- und überdurchschnittlichen Walkraten sowie einer soliden Defense. 2018 hatte er in allen drei Bereichen sein bestes Jahr und brachte es auf 2,6 fWAR. Damit war er hinter Eddie Rosario der zweitwertvollste Spieler der Twins, obwohl seine traditionellen Batting-Stats (.224/.319/.408) lediglich mittelmäßig ausfielen.
2019 ist nun das Jahr, in dem Max Kepler alles gleichzeitig zum Laufen bekommen hat: Er hat seine im letzten Jahr gezeigten Stärken beibehalten und gleichzeitig die relativen Schwächen – Average und Power – abgestellt. Das Resultat sind eine amtliche Slashline von .254/.335/.533, die erwähnten 35 Homeruns und 4.0 fWAR, welche ihn als besten Spieler der Twins dieser Saison ausweisen.
Was macht Kepler dieses Jahr anders als bisher? Die Daten sprechen auf den ersten Blick nicht dafür, dass er an seiner grundsätzlichen Herangehensweise viel verändert hat: Seine Strikeout- und Walkraten liegen im selben Bereich wie bisher, die Balance zwischen Groundballs, Flyballs und Linedrives hat sich kaum verändert, die Häufigkeit von harten Treffern und die Geschwindigkeit seiner geschlagenen Bälle sind nur leicht gestiegen. Auffällig ist allerdings, dass er deutlich mehr Bälle als bisher pullt, das heißt er schlägt sie als Linkshänder häufiger in die rechte Seite des Feldes. Mit 55,1% liegt seine Pullrate mehr als 10 Prozentpunkte über dem Durchschnitt seiner bisherigen Saisons. Gepullte Flyballs haben eine weit höhere Wahrscheinlichkeit, über den Zaun zu fliegen, als Bälle ins Zentrum oder ins Opposite Field – das zeigt sich in den Gesamtstatistiken der Liga und es zeigt sich ganz besonders in den Statistiken von Max Kepler.
Mehr Pullhits erreicht man insbesondere dadurch, dass man den Ball früher trifft. Kepler trifft ihn früher, indem er an der Platte aggressiver auftritt. Letztes Jahr hat Kepler nach 65,3% aller Pitches geschwungen, die in der Strikezone ankamen; dieses Jahr sind es 75,3%. In 40,6% der Fälle schwingt er dieses Jahr nach dem ersten Pitch einer Plate Appearance. Das macht ihn zu einem der aggressivsten First-Pitch-Hitter der Liga, nachdem er sich in seinen früheren Saisons mit 21,9% bis 27,0% eher im Mittelfeld bewegte. Die Aggressivität in seinen At-Bats so deutlich zu erhöhen, ohne gleichzeitig die eigenen Strikeout- und Walkout-Raten zu beschädigen, ist eine enorme Leistung. Dafür kann und sollte man Max Kepler feiern, aber leider ist das nicht so leicht vermittelbar wie die schlichte Aussage „europäischer Homerun-Rekord“…
Falls jemand die verwendeten Statistiken nachschlagen oder noch etwas tiefer graben möchte: Alle in diesem Artikel erwähnten Daten habe ich von Fangraphs mit Ausnahme der Ballgeschwindigkeit und der First-Pitch-Swing-Rate, welche Auswertungen auf Baseball Savant entstammen.
Diese Statistiken … Auch ein Grund, warum ich diesen Spoet liebe!
Wow, einfach nur Wow dieser Artikel, freue mich auf das Interview!
LG David
Ja, der Ball ist juiced. Und HR Rekorde sind langweilig in 2019 – deswegen ist es auch ein schlechter Vergleich mit Bobby Thomson. Aber trotzdem sind für mich die HRs von Max ein gutes Signal und beachtliche Leistung von einem deutschen Spieler! Gibt es überhaupt jemanden aus Deutschland in letzter Zeit, der es überhaupt so weit gebracht hat?
Es gibt keinen, wirklich keinen aus Deutschland, der es im Baseball so weit gebracht hat wie Kepler. Donald Lutz war der erste und außer Kepler einzige Deutsche, der in die MLB kam, aber er spielte eine relativ kleine Rolle.
Es sei denn, man lässt auch deutsche Abstammung gelten. In dem Fall müsste man einen dicken Jungen aus Baltimore erwähnen, der als Georg Hermann Ruth geboren wurde… 😉
Um Babe Ruth herauszufiltern, habe ich auch extra geschrieben „in letzter Zeit“ 🙂 … Ja, gut Donald Lutz … er musste ja früh gehen.
Aber ist schon wie immer krass: Eigentlich ist Max unserer Dirk Nowitzki, aber niemand bekommt es hier mit 🙁
Ja, wirklich so, wenn man hier die Leute fragen würde, wer Max Kepler ist, erntet man wohl nur ratlose Blicke.
Aber dieser Rekord, so wenig aussagekräftig er sportlich auch sein mag, hat immerhin meine Zeitung hier dazu veranlasst, Max mal eine ganze Drittelseite zu widmen. Vielleicht gibt’s ja einige Leute, die das nicht gleich wieder vergessen…
Vergiss mir nicht Heinrich Ludwig Gehrig, der mit seiner Mutter bis zu deren Tod ausschließlich Deutsch gesprochen hat. 😉
Vergiss mir nicht Johannes Peter „Honus“ Wagner,deutscher gehts nimmer.