Die Baseblog-Ballparks-Serie macht heute noch einmal Station im hohen Norden der USA, genauer gesagt in Wisconsin. Auf Wunsch des Baseblog-Lesers Munich habe ich mich mit Miller Park beschäftigt, Heimat der Milwaukee Brewers und des wohl berühmtesten Wurstrennens der Welt, das an jedem Spieltag in der Mitte des sechsten Innings stattfindet:
Geschichte
Die Milwaukee Brewers gibt es seit 1970. Das Team übernahm damals das Milwaukee County Stadium, in welchem von 1953 bis 1965 schon die Milwaukee Braves gespielt hatten. Spätestens seit Anfang der 90er-Jahre war klar, dass das alte Stadion nicht mehr wettbewerbsfähig war. Es fehlte an einträglichen Plätzen der Premiumklasse, an einer Videoleinwand und an einem Schutz gegen die Wetterkapriolen, für die die Region berühmt ist.
Wie die meisten Stadionbauprojekte, so sorgte auch Miller Park für langwierige Kontroversen um die Finanzierung, insbesondere um den öffentlichen Anteil daran. 290 der insgesamt 400 Millionen Dollar Baukosten wurden letzten Endes aus öffentlichen Mitteln bezahlt. Zu diesem Zweck wurde eine zusätzliche Mehrwertsteuer von 0,1% eingeführt, die in Milwaukee und den umliegenden Counties seit 1996 und noch bis August 2020 erhoben wird. Der damalige Senator von Wisconsin wurde wegen der Einführung dieser Steuer vorzeitig abgewählt.
Leider ist das Schicksal des Senators nicht die traurigste Geschichte im Zusammenhang mit dem Bau von Miller Park: Am 14. Juli 1999 stürzte „Big Blue“, einer der größten Baukräne der Welt, in sich zusammen und erschlug drei Arbeiter. Die durch den Unfall verursachten Schäden am Dach sowie die Untersuchung der Ereignisse verzögerten die Inbetriebnahme des Stadions um ein Jahr.
Zur Eröffnung am 6. April 2001 war reichlich Prominenz vor Ort, deshalb gab es gleich zwei „erste“ Pitches: einen von US-Präsident George W. Bush und einen von MLB-Commissioner Bud Selig. Selig war vor Übernahme des Spitzenpostens der Liga Eigentümer der Brewers gewesen, Miller Park war daher zu einem guten Teil sein Projekt. Die Brewers gewannen das Eröffnungsspiel 5:4 gegen die Cincinnati Reds.
2002 war Milwaukee Gastgeber des All-Star-Spiels. Eine World Series hat Miller Park bisher noch nicht erlebt. Die bislang größten Erfolge der Brewers im aktuellen Stadion sind die erreichten NL Championship Series 2011 (2-4 gegen die Cardinals) und 2018 (3-4 gegen die Dodgers).
Ein weiteres Highlight der Stadiongeschichte war der bisher einzige No-Hitter in Miller Park – interessanterweise weder durch einen Pitcher der Brewers noch durch einen ihrer Gegner. Wegen eines Sturms in Texas wurde am 14. September 2008 die Partie zwischen den Houston Astros und den Chicago Cubs nach Milwaukee verlegt, und Cubs-Pitcher Carlos Zambrano erlaubte den Astros keinen Hit. Es war der erste No-Hitter der MLB-Geschichte, der auf neutralem Grund erzielt wurde.
Miller Park geht dieses Jahr in seine letzte Saison unter dem aktuellen Namen. Der Vertrag mit der Brauerei über die Namensrechte läuft nach 20 Jahren aus und wird abgelöst durch ein Engagement der American Family Insurance. Ab 2021 heißt das Stadion American Family Field.
Architektonische Auffälligkeiten
Architektur und Design von Miller Park gehen auf die Firmen NBBJ und Arup zurück; damit ist es eines von ganz wenigen modernen MLB-Stadien, die nicht von Populous/HOK geplant wurden. Vom inneren und äußeren Erscheinungsbild her fügt sich das Bauwerk dennoch recht nahtlos ein in den Trend der „Retro-Moderne“, den Populous 1992 mit Oriole Park startete und an dem sich nahezu alle seitdem erbauten Stadien orientieren.
Das eine Merkmal, anhand dessen Miller Park optisch unter anderen Ballparks hervorsticht, ist seine Dachkonstruktion. Das verschließbare Dach ist dem vor allem im Frühjahr und Herbst oft unberechenbaren Wetter in Wisconsin geschuldet. Es ermöglicht, Sonne, Wind, Regen und Schnee auszuschließen und den Innenraum auf bis zu 17 Grad über Außentemperatur zu heizen.
Eine weitere Besonderheit befindet sich im Inneren des Ballparks über den Tribünen des Leftfields. Dort hat das Maskottchen Bernie Brewer ein eigenes Häuschen, genannt Bernie’s Dugout. Bei jedem Homerun für die Bewers rutscht Bernie auf einer gelben Rutsche zu einer Plattform in Form einer Homeplate.
Spielbezogene Eigenheiten
Miller Park weist mit 344 Fuß (105m) Leftfield-Line, 400 Fuß (122m) Centerfield und 345 Fuß (105m) relativ große Felddimensionen auf. Allerdings verlaufen die Linien zwischen den genannten Punkten recht flach und die Begrenzung des Outfields ist an keiner Stelle höher als 9 Fuß (2,74m). Diese beiden Faktoren dürften die Hauptursachen dafür sein, dass das Stadion überdurchschnittlich viele Homeruns erlaubt und bei Hittern entsprechend beliebt ist.
Während der ersten Betriebsjahre von Miller Park mochten die Hitter das Stadion noch nicht so sehr, jedenfalls nicht bei Nachmittagsspielen: Durch die Dachkonstruktion lagen oft die Homeplate und beide Batter’s Boxes im Schatten, der Mound hingegen in vollem Sonnenlicht. Das machte den Battern wegen der schlechten Sicht auf den Ball das Leben schwer und stellte für sie auch ein Sicherheitsrisiko dar. Seit 2010 werden solche Spiele deshalb bei halb geschlossenem Dach ausgetragen, sodass der Bereich um Homeplate und Mound einheitlich beschattet ist.
Wo sitzt man am besten?
Miller Park gehört von den Ticketpreisen her zur Mittelklasse der MLB. 2019 kostete eine Eintrittskarte im Durchschnitt 71 Dollar Das Grundprinzip ist dasselbe wie in allen Stadien: Je näher man an der Homeplate sitzen will, umso teurer wird es. Je weiter man sich seitlich in Richtung Outfield und/oder in die oberen Ränge begibt, umso eher kann man ein Schnäppchen machen. Auf den Bleachers ganz im Left- oder Rightfield kann man Tickets ab 15 Dollar bekommen. Die Sicht von dort ist wie von den meisten Plätzen in Miller Park einwandfrei, nur eben weit weg vom Geschehen im Infield.
Vorsicht: Es gibt in Miller Park, verteilt über nahezu alle Bereiche, auch ein paar Plätze, von denen die Sicht durch Säulen, Geländer oder Ähnliches beeinträchtigt wird. Am besten macht man sich vor dem Kauf eine Seite wie Aviewfrommyseat zunutze.
Ein außergewöhnlicher Ort, um ein Spiel zu verfolgen, ist das Restaurant direkt am Zaun des Leftfields. Vor und nach der Partie kann man dort ohne Zusatzkosten essen gehen, während des Spiels kostete ein Platz je nach Lage 45 bis 60 Dollar – mit gutem Blick aufs Feld, Bedienung am Platz und der Chance, einen Homerunball zu ergattern. Ich schreibe bewusst „kostete“, denn das bisherige „TGI Friday’s“ erhält ab diesem Jahr einen neuen Betreiber, über dessen Preise ich noch nichts herausgefunden habe. Immerhin weiß ich nach einiger Recherche, dass das Lokal zukünftig „Restaurant To Be Named Later“ heißen wird. Ich hielt das zunächst für eine Platzhalterbezeichnung, aber es ist der tatsächliche Name.
(1) Quelle: Wikimedia, Urheber: Brewersfan 1061 (CC BY-SA 4.0)
(2) Quelle: Wikimedia, Urheber: Greg Hume (CC BY-SA 3.0)
(3) Quelle: Flickr, Urheber: daveynin (CC BY 2.0)
Ich habe den Baseblog gerade entdeckt und bin begeistert, vor allem da ich mich künftig näher mit Baseball beschäftigen will. Die ausführlichen Ballparkvorstellungen gefallen mir und sind sehr interessiant.
Als Royals Fan fehlt mir noch das Kauffman Stadium. Steht das auf der Liste? Ich würde mich sehr freuen.
Herzlich willkommen, Matthias! Lustig, dass du ausgerechnet Kauffman Stadium ansprichst, denn das hatte ich tatsächlich schon vor zwei Wochen auf der Liste, habe es dann aber verschoben, um die Leserwünsche nach Busch Stadium und Miller Park zu erfüllen. Dann kann ich ja nächste Woch mein ursprüngliches Vorhaben mit deinem Wunsch verbinden.
Das ist ja toll. Danke!
Ich lese gerade übrigens dein Buch und finde es richtig klasse. Vor allem die Idee, die Regeln mit Hilfe einer Spielaufzeichnung auf YouTube kennenzulernen, ist genial.
Das ist ja toll. Danke!
Ich lese gerade übrigens dein Buch und finde es richtig klasse. Vor allem die Idee, die Regeln auch mit Hilfe einer Spielaufzeichnung auf YouTube kennenzulernen, ist genial.
Ein toller Blog! Neben dem „Just Baseball-Podcast“ eine tolle deutschsprachige Informations-Quelle zur MLB!
Sammelt Ihr eigentlich auch MLB-Trading-Cards? In so vielen Hollywood-Filmen werden die Trading-Cards thematisiert. Wäre vielleicht auch mal einen Blog-Eintrag wert. 🙂
Viele Grüße
KD1
Vielen Dank für das Lob, KD1! Zu Trading-Cards habe ich bisher leider keinen nennenswerten Bezug entwickelt, daher habe ich sie bisher auch nicht im Blog oder im Buch erwähnt. Aber vielleicht nehme ich mir in der nächsten Offseason mal Zeit, ein bisschen in das Thema einzutauchen. Einen gewissen Reiz muss es ja haben, wenn viele so begeistert davon sind.
Hey Silversurger,
leider kann ich bei dem aktuellsten Grand Slam nicht kommentieren.
Abermals super geschrieben! Ich finde aber die Ansicht, dass die Playoffs entwertet werden mit 14 Teams etwas engstirnig. In einer Deutschen Eishockeyliga kommen 10 von 14 rein, wie wirst du das dann finden?
Ich sehe das Gegenteil. Dadurch hat die Saison für all die Teams unter den Qualifizierten mehr wert, weil es spannender bleibt. In der aktuellen Form spielen teilweise Teams VIERZIG Spiele ohne auch nur den Hauch einer Chance oder einen Sinn bis auf Spielpraxis. Das finde ich persönlich entwertend.
LG
Huch, danke für den Hinweis – tatsächlich war die Kommentarfunktion aus Versehen deaktiviert. Jetzt sollte es wieder gehen.
Was die Playoffs betrifft: Klar, das Gegenargument zu meiner Position ist, dass die Saison für mehr Teams länger spannend bleibt und vielleicht auch ein paar weniger von ihnen ihr Heil im Tanking suchen. Das wäre eine erfreuliche Konsequenz. Aber ich denke mir, wenn man schon eine Mammutsaison mit 162 Spielen absolviert, dann soll die Bilanz daraus auch einen gewichtigen Einfluss darauf haben, wer am Ende Meister werden kann und wer nicht. Ein Drittel der Teams in den Playoffs finde ich deshalb völlig ausreichend. Insbesondere Teams, die mehr als 50% der regulären Spiele verloren haben, haben m. E. in den Playoffs nichts zu suchen. Und ja, beim Eishockey stört mich das auch.
Ich hatte mich hierfür ja noch gar nicht bedankt. Vermutlich, weil ich unterwegs war als der Artikel kam und ich ihn flott im Zug gelesen hatte.
Dann hole ich das jetzt nach, vielen Dank, dass mein Wunsch so schnell erfüllt wurde.
Wie immer sehr interessant.
In der Mittagspause hole ich dann mal nach was ich alles verpasst habe.
Beste Grüße,
Munich