Heute beschäftige ich mich mit der Evolution der Regeln unseres schönen Sports. Roman hatte im Offseason-Wunschkonzert gefragt, ob im Laufe der Zeit generell mal Änderungen im Gespräch waren und ob speziell die Abstände zwischen den Bases sowie zwischen Mound und Homeplate irgendwann geändert wurden. Kurz gesagt: Änderungen gab es schon oft und wird es auch immer wieder geben. Wirklich massive Eingriffe, die den Charakter des Spiels verändert haben, waren in den ersten Jahrzehnten der Entwicklung des Baseballsports (d. h. vor allem in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts) relativ häufig, sind aber seit Beginn der „modernen Ära“ an einer Hand abzuzählen.
Historische Entwicklung der Regeln
Das erste bekannte Regelwerk für Baseball stammt aus dem Jahr 1845. Die sogenannten Knickerbocker Rules unterschieden sich noch recht stark von dem Spiel, das wir heute kennen. Zum Beispiel dauerte ein Spiel damals noch nicht neun Innings sondern so lange, bis eines der Teams 21 Runs erzielt hatte (und das andere Team genauso oft am Schlag gewesen war wie das führende). Der Standort des Pitchers war nicht genau geregelt, eindeutig war aber die Vorschrift, dass ein Pitch „underhand“ zu werfen war, also von unten und mit steifem Handgelenk und Ellenbogen. Homeruns gab es damals nicht: Es wurde in der Regel auf sehr großen Feldern gespielt und falls der Ball tatsächlich über selbiges hinwegsegelte, galt er als Foulball.
Es dauerte rund 50 Jahre, bis sich durch Versuch und Irrtum die Regeln herauskristallisiert hatten, die weitgehend dem heute üblichen Spiel entsprechen. Als Meilensteine können die 1884 erteilte Erlaubnis von Überhandpitches sowie die 1893 erfolgte Festlegung des Abstands zwischen dem Pitcher und der Homeplate auf 60 Fuß und 6 Zoll (18,44 Meter) gelten. Zwischenzeitlich hatte man sich auch auf neun Innings (1856), auf neun Spieler pro Team (1856), auf die Einführung von called Strikes (1858), auf den Walk nach vier Balls (1889) und leider auch auf den rassistischen Ausschluss dunkelhäutiger Spieler aus den Major Leagues (1889) geeinigt. Das Recht des Batters, einen hohen oder niedrigen Pitch zu verlangen, wurde 1867 eingeführt und 1887 wieder abgeschafft. Eine der allerersten Regeln ist bis heute unverändert geblieben: Der Abstand zwischen den Bases betrug schon in den Knickerbocker Rules von 1845 (ungefähr) 90 Fuß (27,423 Meter).
Seit ca. 1900 spricht man von der modernen Ära des Baseballs und meint damit, dass die Grundregeln sich in dieser Zeit kaum noch geändert haben. Dennoch gab es natürlich immer wieder kleinere und größere Eingriffe in das Regelwerk, weswegen man auch sehr vorsichtig dabei sein sollte, Statistiken aus verschiedenen Jahren miteinander zu vergleichen, ohne Anpassungsfaktoren für das jeweilige „Run Environment“ zu berücksichtigen. Letzteres bedeutet, dass es in der Geschichte des Baseballs unterschiedliche Phasen gibt, zwischen denen sich die übliche Anzahl von Runs und anderen zählbaren Elementen stark voneinander unterscheidet – abhängig von sich verändernden Taktiken, Ballparks und Materialien und eben von den jeweils gültigen Regeln. So gibt es zum Beispiel die Dead Ball Era von 1900 bis 1919, in der generell sehr wenige Runs erzielt wurden, oder die Steroid Era von Ende der 80er-Jahre bis in die frühen 2000er, in der sehr viel mehr Homeruns üblich waren als früher, wobei Doping wohl eine starke Rolle spielte. Statistiken wie den ERA eines Pitchers oder den Average eines Batters aus dem Jahr 1909 dem eines Spielers aus dem Jahr 1999 gegenüber zu stellen, würde angesichts der unterschiedlichen Run Environments zu völligen Fehlurteilen über die Qualität der jeweiligen Spieler führen.
Hier die wichtigsten Regeländerungen während der modernen Ära des Baseballs:
Aktuelle Regeländerungen
Die MLB verfolgt momentan zwei Ziele: Zum einen möchte sie die Gesamtdauer der Spiele verkürzen. Zu diesem Zweck ist seit letztem Jahr die Dauer eines Besuchs auf dem Mound auf 30 Sekunden beschränkt und die Pausen zwischen Innings wurden um 20 Sekunden verkürzt auf 2 Minuten und 25 Sekunden für USA-weit übertragene und 2 Minuten und 5 Sekunden für sonstige Spiele. Eine weitere Beschleunigungsmaßnahme ist die ganz neue Regel, über die ich hier schon mal geschrieben habe: Intentional Walks werden künftig nicht mehr gepitcht sondern nur noch gegenüber dem Batter angezeigt. Das andere Ziel der MLB ist mehr Aktion, also mehr ins Spiel kommende Bälle. Dafür wird – wie schon häufig zuvor – an der Strikezone herumgedoktort: Sie verkleinert sich ab diesem Jahr um die Höhe einer Kniescheibe, indem ihr unteres Ende von unter dem Knie auf über das Knie verlegt wird. Auch dazu hatte ich im genannten Artikel schon meine Meinung geäußert.
Ich habe mich hier auf Änderungen beschränkt, die unmittelbar das Spiel betreffen. Daneben hat sich im Laufe der Zeit eine Menge getan, was die Regeln abseits des Spielfeldes – Draft, Free Agency, Gehaltsgrenzen, Trades, internationale Verpflichtungen, Rostergrößen, Spielpläne etc. – betrifft. Das ist genug Stoff für einen eigenen Artikel, den ich bestimmt auch irgendwann mal schreiben werde. Eines muss ich noch erwähnen: MLB-Spieler dürfen sich ab diesem Jahr bei Rookie-Initiationsriten nicht mehr als Frauen verkleiden. Klingt komisch, ist aber richtig und gut so.
Wünschenswerte Regeländerungen
Zu guter Letzt gönne ich mir ein bisschen Träumerei mit einer kleinen Wunschliste von Regeländerungen, die mir gefallen würden:
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